Das Frühstücksbuffet enthält, wie sich das für Schweden gehört, auch einige Fischspezialitäten. Unsere Italiener wollten etwas davon probieren. Es ging nicht. Ihr Gesicht werde ich nicht vergessen. Die schlimmsten Sachen waren gar nicht vorrätig. Dieser fermentierte Fisch zu Beispiel. Es war nur saurer Hering. Kann man doch essen. Wahrlich nicht zum Frühstück.
Draußen ist ein komisches Licht. Es ist nicht hell und auch nicht dunkel. So als wisse es nicht sich zu entscheiden.
Wir gehen zu der nahegelegenen Kirche. (Kyrkogatan) Den Weg säumen Bäume die mit eisigen Kristallen bedeckt sind. Der Schnee klirrt vor Kälte. Hinter der Kirche wollen wir noch ein wenig durch den Wald abkürzen. Kaum bin ich runter vom festgetrampelten Pfad fange ich an zu versinken, im losen Schnee. Unser Italiener ist bis zur Hüfte weg. Die Zeiger der Uhr gehen auf 11. Plötzlich fängt es an zu glitzern. Rund um uns feine Reflexionen. Das totale Spektakel. Was ist denn das für ein Licht dort hinten.
Ich glaub es ja nicht! Das ist die Sonne die sich gerade über den Horizont schiebt. Davor war diese nicht hinter Wolken wie ich annahm. Unglaublich. Nun erschien diese frostige Landschaft in einem ganz anderen Licht.
Schon die Vorstellung der Sonne ließ es mich viel wärmer erscheinen. Interessant fand ich, wie schnell hier alles gefriert. Kaum ausgeatmet bilden sich kleine winzige Kristalle vor deinem Mund. Diese sind so fein, dass sie nicht sofort zur Erde fallen. Sie schweben vor dir und glitzern mit jeder Bewegung der Luft. Kein Windhauch ist zu spüren. Wir spazieren durch die Lande auf einer vorbereiteten Loipe. Unbekümmert tollten wir durch den Schnee. Ich empfand in diesem Moment keine Kälte. Leider äußerte ich es lautstark so dass ich die Aufforderung bekam, mein Oberkörper frei zu machen wenn es doch so warm wäre. Ich machte es, zum Unglauben aller. Warm ist anders. Es ging auf 13 Uhr zu und die Sonne versank. Ein wirklich kurzes Intermezzo. Ob ich mich daran gewöhnen könnte – eher nicht. Also gehen wir zurück in mein Kaffee. Davor hängt ein Thermometer. Maximaltemperatur des heutigen Tages -16°C. Wir wollen unbedingt das Nordlicht sehen. Gehen wir mal zur Tourist Info! Uns wird gesagt, dass man aus der Siedlung raus muss. Gut ist eine Schlittentour. Ich wollte auch so eine Schlittentour. Mir gefiel am besten das Angebot:“ Schnell und wild am Mittag durch den Schnee“. Der Rest der Truppe fand angebrachter: Nachttour mit Einblicken in die Lebensweise der Uhreinwohner. Nachts? Was soll ich da sehn? Fahrt mich raus und zeigt mir wo das Nordlicht ist. Mehr braucht es nicht. Ja was soll´s. Ich wurde überstimmt.
Wir fahren also zu dieser Hundefarm. Es sind gefühlte minus 30° draußen. Real so um die -22. Fallend! Als erstes bekommen wir einen Overall zum Überziehen. Ich seh´ jetzt schon aus wie ein Michelinmännchen. Der Führer sagte zu mir: ´Du musst das nicht anziehen. Nur die Schuhe sind Pflicht. Bedenke, in der Fahrt sind es gefühlte minus 50°C.´Ich zieh das Teil sofort an. Macht ja nichts. Kann mich zwar kaum noch bewegen. Zum auf dem Schlitten sitzen wird es wohl genügen.
Es wird ja immer so vom Zwiebellook geredet. Also heut würde ich jede Zwiebel neidisch machen. In jeder Beziehung. Erst mal in der Anzahl der Schichten. Dann in der daraus resultierenden Form, und im Geruch werde ich ihr nach diesem Abenteuer wohl auch nicht nachstehen. Gut, jetzt die Stiefel. Es sind so ein wenig gefütterte Arbeitsschutzstiefel. Die stehen hier schon seit ein paar Stunden im ungeheizten Schuppen. Ich raus aus meinen Warmen Schuhen, rein in die Stiefeln. Ich bin gleich angefroren. Wie soll ich das in diesen Botten überleben? Keine Blöße! Meine Füße sind Eisklumpen noch vor den versprochenen gefühlten minus 50°. Die Hunde sind total aufgeregt. Ich weiß nicht ob ich mich als Hund so freuen würde, wenn ich ein paar döselige Touristen durch die rabenschwarze Nacht ziehen sollte. OK sie haben offensichtlich Spaß – aber ich? Auf dem Schlitten haben drei Leute Platz. Ich erwische den Mittleren. Meine Überlebenschance steigt. Auf geht´s! Die Hunde, kaum losgelassen, sprinten los wie die Wilden. Der Schlitten macht einen Satz. Unser Schlittenführer ist die ganze Zeit damit beschäftigt die Hunde zu zügeln damit wir nicht die Schallmauer durchbrechen. Für solche ungestüme Kraft in unberührter Natur kann ich mich immer begeistern. Im Moment seh´ ich allerdings nichts, außer ab und zu ein Hund von Hinten, wenn er durchs Lampenlicht der Schlittenführerin schweift.
Die dunkle Nacht zieht unmerklich in weiter Leere an uns vorbei. Na ja. Am Tage wäre es sicher toll. Glitzernde Kristalle im Sonnenlicht. Dazu wild tobende Haskis. Wir müssen da nun durch. Mitten in der Weite Lapplands stoppen wir. Es ist immer noch eisig kalt. Unser Atem bildet Kristalle die das Taschenlampenlicht reflektieren. Am Firmament die Michstraße. Sonst nichts. Nun kommt der Teil mit dem geschichtlichen Hintergrund. Ein einsames Zelt steht im Nirgendwo.
Ein kleines Feuer wird gemacht. Dieses hat nicht wirklich die Kraft gegen die Kälte anzukommen. Ich nehme, was immer kommt. Kurz wird erzählt, dass so die Uhreinwohner lebten. Wir trinken einen Kaffee und schauen ins Feuer. Ein jeder träumt von seinem warmen Bett. Hoffentlich geht es bald weiter. Wie die früher gelebt haben ist mir vollkommen unverständlich und im Moment so egal. Hier ist nichts! Ich will nach Hause. Es geht endlich weiter. Nur noch zwanzig Minuten bis ich es hinter mir haben werde. Ich zwinge mich zu überleben. Der Mensch ist schon komisch. Bezahlt einen Haufen Geld für eine Aktivität, bei deren Ausübung er sich die ganze Zeit wünscht, es endlich hinter sich gehabt zu haben.
Im Lager angekommen sind meine Schuhe kältetechnisch mit der Umgebung verschmolzen. So ein kleines beheiztes Depot würde ich als erste Verbesserung vorschlagen. Ja das Nordlicht haben wir nicht gesehen. Ich lasse mich zu einem nochmaligen Versuch überreden. Wir gehen in die Lobby eines Hotels am Rande der Stadt. Die Schweden sind sehr großzügig. Wer da in der Lobby sitzt ist ihnen egal. Ich glücklich über ein wenig Wärme versuche die beiden Eisklumpen an meinen Beinen ins Reich der Lebenden zurückzuholen. Langsam habe ich wieder ein wenig Gefühl da drin. Es ist immer noch kein Nordlicht zu sehen. Gegen Mitternacht der letzte Versuch. Wir gehen in den Wald. Nichts. Mir ist alles egal. Ich falle in meinen MirIstAllesWurscht- Modus. In der absoluten Dunkelheit baue ich mein Stativ auf. Die Finger frieren trotz der Unterhandschuhe am Stahl an. Richte die Kamera in die Dunkelheit und belichte mit 20sec. Hey, da kann man echt was drauf erkennen. Unglaublich! Nochmal. Nach genau 5 Bildern versagt meine Kamera. Eingefroren. Auf dem Bild entdeckte ich im Nachhinein einen leichten grünen Schimmer am Horizont. Polarlicht. Es war außerhalb unseres Blickwinkels und streute nur ein Wenig herein. So habe ich mir das nicht vorgestellt.
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